Seit ich denken kann stellte sich immer wieder die Frage „Wie hält es die Linke mit dem Frieden?“. Und immer gewann mensch sehr schnell den Eindruck, es gab da nur „wahre Friedensfreunde“ und „Kriegstreiber“ in den Augen der Einen und „Weltfremde Naivlinge“ und „pragmatische Friedensschützer“ in den Augen der Anderen. Bis heute finde ich mich auf keiner dieser Seiten wirklich wohl denn sie alle denken in Schubladen und Kategorien, die der Herausforderung meiner Meinung nach nicht gerecht werden.
Ich persönlich habe als junger Mensch sehr früh eine Offiziersbewerbung unterschrieben. Eigentlich wollte ich Arzt werden und mir wurde versprochen, so wird das leichter gehen. Und ich war ja überzeugt, auf der „richtigen Seite“ zu stehen und mit der Waffe in der Hand den Frieden zu verteidigen. Die politische Wende kam dazwischen. Ich kann darüber heute nur froh sein.
Genauso selbstverständlich war es für mich, dann im neuen Staat meinen Wehrdienst zu verweigern und stattdessen im Krankenhaus zu arbeiten – nicht, weil ich plötzlich Pazifist geworden wäre, sondern weil ich, wie ich damals auch offen begründete mir nur schwer vorstellen konnte plötzlich in einer Armee zu dienen, die kurz zuvor noch als mein Feind galt. Der Zivildienst war eine der für mich wichtigsten und prägendsten Phasen meines Lebens die ich nicht missen möchte und ich wünsche diese Erfahrung jedem jungen Menschen – nicht, weil sie müssen, sondern weil sie können.
Kein Raum für Antiamerikanismus
Ebenso klar war für mich, gegen die Golfkriege beider Bush-Präsidenten zu protestieren wie auch gegen den Kosovo-Einsatz der NATO. Weil ich es für falsch hielt und bis heute falsch halte, dass eine Macht allein meint, Ordnung schaffen zu müssen – egal aus welchen Motiven. Was mich bereits damals ins Grübeln brachte waren Menschen um mich herum, bei denen ich mir nicht ganz sicher war, ob sie gerade wirklich für Frieden demonstrieren oder doch eher gegen die USA – deren Welt noch immer in gute friedensliebende Sowjetunion und böses, imperialistisches Amerika geteilt war. Und ganz offen und direkt: Wenn ich zurzeit sehe, wer wie argumentiert, wenn es um aktuelle Krisenherde der Welt geht fürchte ich, der Vorwurf des Antiamerikanismus war leider nicht immer falsch und ist auch heute noch Haupttriebkraft für Teile derer, die sich da Friedensfreunde nennen. Fragt sich, wie kontinuierlich gepflegte Feindbilder und postulierter Pazifismus zusammenpassen.
Militärischen Aggressoren Grenzen aufzeigen
Ich habe den Eindruck, in Teilen der Linken macht sich zunehmend wieder Lenins Argumentationslinie breit, der ausführlichst über „gerechte und ungerechte Kriege“ sinnierte – eine sehr pragmatisch-taktische Haltung zum Thema, getrieben von eigenen politischen Interessenslagen und nicht vom Wunsch nach echtem Frieden für alle. Warum genau ist die offensichtliche Okkupation von Teilen Georgiens, der Krim und der der Ost-Ukraine legitimer als Einsätze der USA in Lateinamerika? Warum sind zivile Opfer russischer Bomber in Syrien keinen Aufschrei wert, wenn jeder „Kollateralschaden“ der NATO zurecht kritisiert wird? Warum gilt beim Einsatz in Tschetschenien und Syrien plötzlich das Recht zum Kampf gegen „Terror“, das Israel in der Auseinandersetzung mit der Hamas per se abgesprochen wird?
Gewalttätige Konflikte waren noch nie einfach und sie sind es heute vermutlich weniger denn je. Jede beteiligte Seite kann tausend gute Gründe vorbringen, warum ihr Einsatz legitim ist.
Heißt das nun zurücklehnen und nichts tun? Einfach machen lassen, im Zweifelsfalls noch humanitäre Hilfe leisten, damit das Gewissen beruhigt ist? Nein, das kann und darf nicht die Antwort sein!
Wozu haben wir die ganzen internationalen Institutionen, wenn dann doch mancher Möchtegern-Despot machen kann was er will ohne Konsequenzen fürchten zu müssen?
Nur Diplomatie allein hilft offensichtlich nicht
Wie viele Grenzen muss Putin in seinem Traum von neuen groß-russischen Reich sowjetischer Ausdehnung noch verletzen bevor er endlich gezeigt bekommt, dass das so nicht weitergeht? Appeasement-Politik ist damals bei Hitler schon mal schiefgegangen – wie oft soll dieser Fehler noch wiederholt werden? Wann hört Europa endlich auf, Erdogan zu hofieren und zuzusehen, wie er sein eigenes Volk einsperrt oder gleich umbringt – insbesondere wenn es Kurden sind? Wann hören wir endlich auf, in Situationen wie Aleppo nicht einfach nur live zu berichten, von einer „misslichen Lage“ zu fabulieren und ansonsten mit der Tagesordnung weitermachen? Wann wird endlich auch den USA deutlich gemacht, dass Verletzungen des Völker- wie Menschrechts von niemandem akzeptabel sind und sich Soldaten für entsprechende Verbrechen gleichermaßen verantworten müssen – egal in welcher Armee sie diese begangen haben? Wann wird Mugabe endlich Einhalt geboten, der unter Vortäuschung politischer Notwendigkeiten Teile seiner Bevölkerung abschlachten lässt und sich dabei vor allem selbst bereichert? Und wie lange wird China weiter brav zugeschaut, wie sie ihr eigenes Reich einfach durch direkte Landnahme Stück für Stück erweitern?
Nein zum Krieg – Ja zum klaren Gewaltmonopol
Ist das nun die Aufforderung zum Krieg? Nein, natürlich nicht! Von wem auch? Einzelne Staaten als „Weltpolizisten“ gibt es nicht mehr. Die USA hat die dafür notwendige Kraft verloren, andere hatten Sie nie. Und das ist auch gut so. Diese Macht in der Kontrolle einzelner Staaten oder Bündnisse kann nur zu Schieflagen und Interessenskonflikten führen.
Nur Diplomatie löst allein offensichtlich auch nicht alles. Was gibt es denn zu verhandeln mit einem Spielplatz-Bully, wenn mensch dem nichts entgegenzusetzen hat? Hoffen, dass er irgendwann stolpert, sich damit blamiert und verschämt zurückzieht? Chancen sind wohl groß, dass das entweder nie passiert oder beim Fall alle anderen noch mitgenommen werden. Auf letzterem Weg sind wir – so habe ich aktuell das Gefühl – in der Tat als Menschheit gerade.
Es braucht ein klares Gewaltmonopol auf internationaler Ebene – nicht als fragile Balance verfeindeter Mächte/Blöcke, sondern als aktive Vereinbarung der Gemeinschaft. Dafür ist die UNO gegründet worden! Dafür gibt es in Europa EU und KSZE, in Afrika die Afrikanische Union etc. Nur – und das hat die Geschichte der letzten 70 Jahre leider zu oft gezeigt – haben diese Institutionen keine Chance, wenn dann doch einzelne Bullies ausscheren können wann immer es ihnen gerade passt – und wie im Fall der UNO per Veto auch noch jegliches Handeln blockieren.
Für eine echte europäische Armee!
Ich bin dafür, die geschaffenen Institutionen mit der notwendigen Kompetenz auszustatten, weltweit für Frieden zu sorgen, Menschen vor Gewalt zu schützen und die vereinbarten Rechte überall gleichermaßen durchzusetzen. Und Kompetenz heißt auch die Möglichkeit, diesem Auftrag in aller Konsequenz gerecht zu werden. Dafür reicht es nicht, je nach Bedarf und aktueller politischer Lage bunt zusammengewürfelte Truppen einzelner Nationalstaaten aufzustellen, die Wochen bis Monate brauchen bevor sie überhaupt einsatzfähig sind. Es braucht gemeinsame Einheiten, die dann eingreifen können, wenn es notwendig ist – schnell und effektiv. Und stark genug sind, dass sich die Bullies der Welt genau überlegen, ob sie diesen Kampf wirklich gewinnen können.
Wichtig ist dabei aus meiner Sicht insbesondere die internationale Mischung – die verhindert, von einzelnen Ländern missbraucht zu werden und es zumindest deutlich erschwert, als Land einfach so wieder auszuscheren. Ich bin für eine UNO-Armee, die die Armeen der Welt ersetzt. Und ich bin auf dem Weg dahin dafür, eine europäische Armee aufzustellen, die die nationalen Armeen in Europa ersetzt. Nicht als Instrument für neue, noch größere Kriege – sondern als Mittel, die Auseinandersetzungen zwischen immer mehr Ländern faktisch unmöglich zu machen. Bis es keine Nationalstaaten mehr gibt. Weil sie keiner mehr braucht zum Schutz der eigenen Unversehrtheit.
Ein Gedanke zu „Es gibt keine gerechten Kriege. Und Frieden fällt nicht einfach vom Himmel.“