Better done than perfect!

Wer heute nicht mehr kundenorientiert denkt, wird es schwer haben, noch nachhaltig wirtschaftlich zu agieren. Aber was bedeutet Kundenorientierung genau und was könnte das mit Politik zu tun haben? In Wirtschaft und Politik gleichermaßen werden die Rahmenbedingungen gefühlt immer komplexer. Können Methoden der Wirtschaft auch in einer Demokratie helfen?

In der Wirtschaft gilt ganz klar: Wer heute nicht mehr kundenorientiert denkt wird es schwer haben, noch nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Die üblichen Schnäppchen jagenden Billigheimer, die nur auf den Preis achten wird es weiterhin geben – Geld lässt sich mit Ihnen aber schon lange nur noch auf Kosten von Umwelt und sozialer Situation der Arbeitenden verdienen. Aber was bedeutet Kundenorientierung genau? In meiner Welt heißt das vor allem Zuhören, alle verfügbaren Daten und Information nutzen und sinnvoll verknüpfen, gegebenenfalls aktiv in den Diskurs treten, verstehen „was Kunden wirklich wollen“ und eigenes Unternehmenshandeln konsequent darauf ausrichten.

Wenn ich diese Idee nehme und Kunden durch Bürger ersetze klingt das sehr nach Bürgerbeteiligung, oder? Hier ist die Herausforderung: Wie stelle ich sicher, dass ich wirklich alle relevanten Information vorliegen habe? Wie weiß ich, dass ich wirklich verstanden habe? Wie schaffe ich es vor allem, nicht nur zu vernehmen, was zu meinen bereits fertigen Antworten passt?

Henri Ford wird fälschlicherweise gern als Kronzeuge gegen die Kundenorientierung verwandt, mit dem Zitat „Wenn ich Kunden fragen würde, was sie wollen, müssten wir nur schnellere Pferde züchten“. Aber genau das ist der Punkt: Er hat verstanden, dass es den Kunden darum ging, schneller und komfortabler von A nach B zu kommen – dafür hat er ihnen mit dem Auto eine massentaugliche Alternative zur Pferdekutsche geboten. Wichtig ist am Ende nicht, was der Einzelne im Detail sagt, sondern warum!

Kunden verstehen und ernstnehmen bedeutet nicht, Kunden einfach nachzuplappern. Das ginge in der Politik dann eher in Richtung Populismus. Verstehen bedeutet, die tatsächlichen Bedürfnisse identifizieren und Angebote unterbreiten, wie diese Bedürfnisse bedient werden können – besser, umfangreicher und gern auch ganz anders als der Kunde das im Einzelnen je formulieren könnte. So funktioniert Innovation seit Menschengedenken – und so sollte aus meiner Sicht auch Politik denken.

In Wirtschaft und Politik gleichermaßen werden die Rahmenbedingungen gefühlt immer komplexer. Das – gepaart mit einer Neigung zu perfekten, allumfassenden Lösungen – führt immer öfter zur Paralyse, zum Aussetzen notwendiger Entscheidungen. Betroffen sind davon Kunden wie Bürger, deren echte Probleme nicht angegangen werden, die in der Luft hängen – sich alleingelassen fühlen.

Die Komplexitätsparalyse aufbrechen!

In der Wirtschaft gibt es darauf mittlerweile den Versuch einer Antwort: Die Kombination aus der sogenannten 80/20-Regel und „agiler“ Umsetzung – mit dem Ziel, notwendige Veränderungen aktiv voranzutreiben, und in – im politischen Sinne – reformistischer Weise Stück für Stück Probleme zu lösen und Kundenerfahrungen besser zu machen. Kerngedanke: Solange ich mir sicher sein kann, dass eine angedachte Lösung einen relevanten Beitrag zur Problemlösung beiträgt, grundsätzlich in die – durch Strategie definierte – richtige Richtung geht und das Risiko rational bewertet und für händelbar befunden wurde, reicht das um loszulegen.

Statt also permanent nach den Sonderfällen zu suchen und jede noch so kleine Ausnahme noch regeln zu wollen, wird erstmal gemacht, im laufenden Betrieb nachgesteuert und an definierten Meilensteinen konsequent evaluiert. Und um die Komplexität bearbeitbar zu machen, werden Probleme in kleinstmögliche Einzelteile zerlegt, die dann einzeln angegangen und eins nach dem anderen weggeräumt werden – immer übergreifend koordiniert um den Blick für große Ganze nicht zu verlieren.

Ohne klare Strategie droht Aktionismus

Wichtig: Wenn die Daten nicht sauber sind kann das sehr schnell nach hinten losgehen. Und ohne klare Strategie ist aller „Pragmatismus“ zielloser Aktionismus – Bauchgefühl und Glauben allein reichen in dieser Welt eindeutig nicht. Ist dieses Prinzip auf das demokratische Gemeinwesen übertragbar? Ich denke ja. Wenn selbst Unternehmen begreifen können, dass sie nicht zum Selbstzweck da sind und ohne Kunden einfach mal kein Geld verdienen – warum, sollte es dann nicht für ein Gemeinwesen gelten, dass doch für sich immer reklamiert „alles nur im Interesse der Bürger“ zu tun?

Lektionen für das Gemeinwohl

Notwendig wären dazu jedoch ein paar neue Ansätze im aktiven Handeln: Der Wille und die Bereitschaft zur gemeinsamen Suche nach konstruktiven Lösungen für echte Probleme. Die Einsicht, dass kein einzelner Akteur allein für die Interessen aller – oder auch nur einer relevanten Mehrheit – sprechen kann und das sowohl Umfragen als auch Wahlen immer nur ein Stimmungsbild sein können und keine Legitimation, 4 oder 5 Jahre „durchzuregieren“. Die Gelassenheit aller, zu akzeptieren, dass Fehler gemacht werden und es immer auch Einzelne geben wird, die diese für sich zu nutzen versuchen. Die Fähigkeit der Bürger, Fehler nicht als Versagen, sondern als Gelegenheit zu sehen, es beim nächsten Anlauf besser zu machen. Der Wille, gesunden Menschenverstand im Umgang miteinander anzuwenden statt permanent jeder Sau hinterherzurennen, die gerade durchs Dorf gejagt wird. Das Verständnis der politischen Akteure – Parteien, Verbände, Bewegungen, NGOs etc. – tatsächlich als Transmissionsriemen zwischen einzelnem Bürger und Gemeinwesen als Ganzes zu agieren und so echte und permanente Repräsentation zu sichern. Klingt idealistisch oder gar naiv? Woher wissen wir das, ohne es ausprobiert zu haben?

Autor: tomatenfisch

If I can´t dance to it, it´s not my revolution. emotionale Dampfwalze eitle Rampensau immerwaehrender Besserwisser und trotzdem gibt es Leute die mich moegen. Verrückt. :-) Fav's: Stockholm; Punk; IndieRock; Dancing; Parties; Running; Vodka; NewEngland; RedSox; Tea; JellyBeans; Books; Movies; RadioEins and about thousand other things that make life worth living every single day...

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