Links, modern sucht… ein klares Ja zu Europa

Die Parteien laufen sich warm für die Bundestagswahl am 24.9.2017. Zeit also, sich ein eigenes Bild zu machen!
Aus aktuellem Anlass geht es heute um die Linke und #PulseOfEurope.
Die Linke und Europa – das war und bleibt ein angespanntes, inkohärentes Verhältnis.

Die Linke und Europa – das war und bleibt ein angespanntes, inkohärentes Verhältnis.
Einerseits besteht das Grundverständnis von (postulierter) internationaler Solidarität, der Wunsch nach „ewigem Frieden“ und generell die Haltung, dass nachhaltiger sozialer Ausgleich in einer sich globalisierenden Welt nur auf internationaler Ebene zu schaffen ist. Es gibt eine europäische Linkspartei, die übergreifende Positionen und Zusammenarbeit aktiv vorantreibt. Und dass insbesondere in Ostdeutschland in den letzten 20 Jahren ein relevanter Teil der EU-Regionalmittel geflossen ist schadet auch nicht.
Andererseits kommt dann aber doch immer wieder der typische linke/linkspopulistische Reflex zum Tragen – getreu dem Motto „Alles Mist außer es kam von uns!“ EU-Institutionen werden seit je eher bekämpft statt aktiv und praktisch Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Egoistisches Verhalten einzelner Nationalstaaten (z.B. Deutschlands zwanghaftes Spardiktat) wird als Beweis gegen die Institutionen verwandt statt ehrlich zu sagen, dass solches Verhalten eher Ausdruck von zu vielen nationalen Interessen und Einflüssen ist – und Zeichen der politischen Schwäche der Linken vor Ort. Vorschläge zur Konsolidierung, Abstimmung und im Ergebnis effizienteren Ausführung mit weniger Gesamtmitteln werden unter anderem am Beispiel Europäische Armee sofort als Militarisierung abgestempelt. Es wird nicht gesehen, wie – zum Beispiel auch mit aktiven, eigenem Druck – am Ende eben in Summe viel weniger Armee in Europa steht als heute noch immer in jedem Land für sich. Und im Zweifel gibt mensch der populistischen Neigung schnell nach, macht sich irrationale „Bauchgefühle“ der Bevölkerung zu eigen und findet sich in Fragen wie dem Euro oder der Arbeitnehmerfreizügigkeit für osteuropäische EU-Bürger inhaltlich und argumentativ schnell auf der gleichen Seite wieder wie Rechtspopulisten von Pegida, AfD etc.

Die Linke und Pulse of Europe
Dieses ambivalente Verhältnis ist im Brennglas aktuell wieder hervorragend am Beispiel der eigenen Haltung zu Pulse of Europe zu beobachten. Da entsteht in Reaktion auf Brexit, Trump und drohende Erfolge von rechten Parteien in den Niederlanden und Frankreich eine Bewegung aus der Mitte der Bevölkerung heraus, die angenehm positiv daherkommt, schnell an Größe und Aufmerksamkeit gewinnt. Da ist die Bewegung bewusst überparteilich, stürzt sich nicht ins Klein-Klein sondern ist auf pro-europäische Forderungen fokussiert, die maximal anschlussfähig sind und gleichzeitig klar Position beziehen. Und was passiert auf der Linken? Einerseits sind auch Mitglieder und Vertreter der seit geraumer Zeit mit auf den Veranstaltungen vertreten, hören zu, kommen ins Gespräch und vermeiden es tunlichst, diese Foren kapern zu wollen. U.a. der Berliner Europa-Senator Klaus Lederer kam selbstverständlich auch zum Gendarmenmarkt. Andererseits schlägt aber auch hier der übliche Reflex wieder zu: Die einen schreiben „Offene Briefe“ um der Bewegung mitzuteilen, welche Positionen sie doch bitteschön einzunehmen haben. Und die andere Fraktion erklärt gleich per se, dass diese Bewegung „neoliberale Kackscheisse“ ist, verbunden natürlich mit Unterstellungen und Behauptungen, die so einfach nicht stimmen.
Wer einmal auf einer der Demos war – und ich bin da seit vielen Sonntagen regelmäßig und mittlerweile auch in verschiedenen Städten gewesen – weiss, dass weder Veranstalter noch Teilnehmer den aktuellen Status Quo „kritiklos feiern“ sondern zwei Dinge in sehr ausgewogener Art tun: Die Errungenschaften von über 60 Jahren Frieden, sich entwickelnder Freundschaft, gemeinsamer Identität und Austausch und auch des fortschreitenden sozialen Ausgleichs feiern; gleichzeitig dringend notwendige Reformen hin zu mehr Demokratie und engerer Zusammenarbeit fordern und damit klar Position gegen Re-Nationalisierung und einen Rückfall zu nationalstaatlichen Alleingängen und potentiell zunehmender Konfrontation der Interessen beziehen. Dass es relevante Teile der Linken gibt, die mit diesen Haltungen ein Problem hat finde ich leider wenig überraschend aber umso problematischer. Relevante Teile der Linken sind offen für Gespräche mit Bewegungen, die klar rückwärtsgewandte Positionen beziehen und wollen dort verankerte Wählerpotentiale „zurückgewinnen“ – das empfinde ich mehr als befremdlich. Gleichzeitig wird Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft das Recht quasi abgesprochen, für Europa und eine weitere Integration auf die Straße zu gehen. Das kann ich noch viel weniger nachvollziehen.
Auf den PoE-Demos erlebe ich jeden Sonntag einen bunten Querschnitt des städtischen Bildungsbürgertums – also genau der Menschen, die intellektuell und von IhrenGrundwerten her am ehesten offen und bereit für progressive Haltungen und Veränderungen in der Gesellschaft sind – die sich nicht nur von eigenen Ängsten, Vorurteilen und Eifersucht auf andere treiben lassen. Ist das vielleicht das Problem? Leute, die nicht nur blind irgendwelchen Losungen hinterherrennen, die nicht auf das Heilsversprechen der Revolution warten, sondern hier und heute bereit sind, aktiv und konstruktiv ihren Teil für die Gesellschaft zu tun. Ich freue mich über jede/n Linke/n der/die aktiv und konstruktiv für Europa streitet und mit inhaltlich fundierten Vorschlägen in den Diskurs einsteigt. Leider nehme ich aktuell wahr, dass dies in der Partei eine eher kleiner werdende Minderheit ist und Mehrheitspositionen in eine andere Richtung gehen. Diese Tendenz habe ich schon zu PDS-Zeiten erlebt und denke, die Vereinigung mit WASG und anderen linkssektiererischen Gruppen hat den Umstand nicht besser gemacht.

Pro-europäisch seit 1990
Meinen ersten Wahlkampf habe ich 1990 bewusst auch im Glauben an und der Hoffnung auf Europa aktiv unterstützt. Einer unserer Slogans war damals „Für ein europäisches Deutschland, kein deutsches Europa!“. Dem ist aus meiner Sicht bis heute nichts hinzuzufügen. Ich erwarte von einer progressiv aufgestellten Linken (egal in welcher Partei), dass sie für die weitere europäische Einigung, für grenzenlosen Austausch in Europa ebenso wie die Öffnung nach außen, für mehr gemeinsame Institutionen und weniger Freiräume für nationale oder regionale Egoismen eintritt. Freier Handel ist für mich genauso selbstverständlich wie europaweite Sozialversicherungen, einheitliche Steuern und ein gemeinsames bedingungsloses Grundeinkommen. Weil es keine Rolle spielen sollte, wo in Europa mensch geboren und aufgewachsen ist und wo und warum es mensch im Laufe des Lebens dann noch so hin verschlägt.

Diese Grundhaltung finde ich bei den Linken leider aktuell so nicht wieder. Stattdessen versucht sich die Partei als eher europakritisch zu positionieren – offensichtlich in dem naiven Glauben, damit einen Teil der populistischen Anti-EU-Stimmen einzufangen. Deshalb gibt es heute leider auch für die Linke einen Minuspunkt – und weil mir das Thema persönlich wirklich wichtig ist sogar -2.

Grüne 0, Linke -2, SPD -1

score

Die Parteien laufen sich warm für die Bundestagswahl am 24.9.2017. Zeit also, sich ein eigenes Bild zu machen! In dieser Serie beschäftige ich mich mit einzelnen Themen, Personen und anderen Faktoren, die für meine Entscheidung in Summe wichtig sind und bewerte jeweils die Parteien nach ihrer Performanz – ganz subjektiv entsprechend meiner persönlichen Wahrnehmung.
Ich lade Euch ein, mich auf meiner eigenen Suche nach der richtigen Wahlentscheidung zu begleiten und freue mich auf einen regen Austausch. Die komplette Serie findet Ihr
hier.

Autor: tomatenfisch

If I can´t dance to it, it´s not my revolution. emotionale Dampfwalze eitle Rampensau immerwaehrender Besserwisser und trotzdem gibt es Leute die mich moegen. Verrückt. :-) Fav's: Stockholm; Punk; IndieRock; Dancing; Parties; Running; Vodka; NewEngland; RedSox; Tea; JellyBeans; Books; Movies; RadioEins and about thousand other things that make life worth living every single day...

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